AG Krokodile
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Jahrestagung 2015

27. bis 28. Juni 2015

Alexander Meurer und Klaus Berlig




Unsere 19. Jahrestagung fand im Clubhaus des Aquarien- und Terrarienvereins Scalare in Fulda statt, wo wir schon einmal im Jahre 2000 zu Gast waren.

Einfahrt zum Aquarirn- und Terrarienverein Scalare

Einfahrt zum Aquarirn- und Terrarienverein Scalare

Das sehenswerte Vereinsgelände, der "Tümpelgarten", mit seiner Aquarien- und Terrarienausstellung, seinen Volieren und Freilandanlagen befindet sich in einem Naturschutzgebiet inmitten unberührter Auen und drei grossen Weihern.

Blick auf das idyllisch gelegene Vereinsheim

Blick auf das idyllisch gelegene Vereinsheim


Von der Fensterfront des Tagungsraumes konnten wir auf ein naturbelassenes und bei der warmen Witterung schon fast subtropisch anmutendes Sumpfbiotop blicken.
Zu unserem höchsten Glück hätten hier nur noch freilebende Alligatoren gefehlt - aber man ja kann nicht alles haben ...

Wasserschildkröten im Sumpfbiotop

Eine schwimmende Ringelnatter

Eine schwimmende Ringelnatter ( Natrix natrix )


Zu Veranstaltungsbeginn am Samstagvormittag begrüßte der 2. Vorsitzende, Pascal ZIEGLER, herzlich die teilweise von weither angereisten Tagungsteilnehmer.
Zunächst legten wir eine Gedenkminute für unseren leider kürzlich verstorbenen Freund Ralf SOMMERLAD ein.

Nach einem kurzen Ausblick auf die geplanten Programmpunkte startete die Veranstaltung mit einer Besichtigung des Exotariums im Rudi-Schmitz-Haus, das am 14. Mai 2001 nach dreijähriger Bauzeit eröffnet worden war und seitdem jährlich von Ostern bis Ende Oktober Besuchern offensteht.
Im Eingansbereich der Aquarienabteilung im Erdgeschoss ist ein Meeresaquarium mit tropischen Fischen und Korallen untergebracht.

Meerwasseraquarium

Clownfisch

Nemo gefunden !


Im Anschluss findet man 16 Süsswasseraquarien, ein Paludarium, drei Regenwald-Aquaterrarien mit Pfeilgiftfröschen und ein offenes Aquaterrarium für tropische Wasserschildkröten.
Die Terrarienabteilung im Obergeschoss beherbergt 9 grosse Anlagen mit Echsen, Schlangen und Krokodilen sowie kleinere Behälter für Insekten.
Von größtem Interesse für uns war das fast adulte Paar Kuba-Krokodile ( Crocodylus rhombifer ), die als illegale Importe am Flughafen Leipzig beschlagnahmt worden waren und hier eine neue Heimat gefunden hatten.

Rautenkrokodile ( Crocodylus rhombifer )

Rautenkrokodil ( Crocodylus rhombifer )

Rautenkrokodil ( Crocodylus rhombifer )

In einer benachbarten Terrarienanlage ist ein China-Alligator ( Alligator sinensis ) untergebracht, dessen Art ebenfalls in freier Wildbahn massiv vom Aussterben bedroht ist.

Markus JÄGER, Matthias FRANK und Melanie EL-MOHAMAD führten uns durch die Räumlichkeiten, berichteten über ihre Erfahrungen in der Krokodilhaltung, die Umsetzung der umfangreichen technischen Anforderungen und das Verhalten der Tiere.
Die Kuba-Krokodile hatten im vergangenen Jahr 14 befruchtete Eier abgelegt, in denen die Embryonen aber leider abgestorben waren.
Der Versuch, eine Genprobe dieser verendeten Jungtiere zur Feststellung der Reinerbigkeit in die USA zu senden, gestaltete sich äußerst schwierig.
Aufgrund von Verpackungsvorschriften und Zustellungsproblemen waren dazu fast 7 Monate nötig.
Von den US-amerikanischen Genetikern erreichte uns dann die Nachricht, die DNA-Tests hätten gezeigt, dass die Tiere reinerbig sind.
In diesem Jahr führte die Optimierung der Vitaminversorgung und UV-Bestrahlung der Elterntiere zu einem ersten Zuchterfolg.
Vier reinerbige Jungtiere dieser in der Natur hochbedrohten Art sind geschlüpft und erfreuen sich bester Gesundheit.
Bei den Kuba-Krokodilen war es ferner vor einigen Jahren zu einem Zwischenfall gekommen.
Eines der Tiere hatte eine im Gehege angebrachte Plastikmatte losgerissen, verschluckt und sich dadurch in eine lebensbedrohliche Situation gebracht.
Nachdem es eingefangen und fixiert worden war, konnte der Fremdkörper durch das geöffnete Maul mit einem starren Endoskop, das mit einem Greifer ausgestattet war, wieder hervorgeholt werden.
Das Kuba-Krokodil überstand den Eingriff unbeschadet.
Zum Aufsperren des Maules hatte dabei eine in Längsrichtung eingeführte Autofeder mit zwei seitlichen Haltegriffen gedient, durch die das Endoskop geschoben wurde.

Autofeder mit seitlichen Griffen

Die zweckentfremdete Autofeder


Im Anschluss freuten wir uns, Diplom-Biologin Nadja GRAP von der Universität Bonn ein weiteres Mal als Referentin bei uns begrüssen zu dürfen.
Sie hatte bereits auf unserer Jahrestagung 2012 von ihren Forschungen im Rahmen einer Diplomarbeit über das Wahrnehmungsvermögen von Oberflächenwasserwellen bei Krokodilen berichtet und stellte jetzt die neuen Studien in ihrer darauf aufbauenden Doktorarbeit dar.
Die genannte Sinneswahrnehmung dient den Tieren zur Ortung von Beute, als Warnung vor Feinden und zur Kommunikation untereinander ( z.B. Kopf- und Schwanzschlagen im Wasser ).
Die wahrnehmenden Rezeptoren sind gut als schwarze Punkte auf der Haut der Krokodile zu erkennen.
Die Verteilung der Rezeptoren ist bei den rezenten Familien unterschiedlich :  Alligatoren besitzen diese nur im Kopfbereich, Krokodile und Gaviale weisen die Rezeptoren zusätzlich auch im restlichen Körperbereich auf.
Die einzigartigen Rezeptoren können schwächere mechanische Reize wahrnehmen als die menschliche Fingerspitze.
Sie sind hauptsächlich um die Zähne der Krokodile verteilt, treten aber auch im Maul der Tiere auf.
Im Maul dienen sie wahrscheinlich in erster Linie zum Untersuchen und Ausrichten der Beute vor dem Schluckvorgang.
Die Anzahl dieser Rezeptoren nimmt im Zuge des Größenwachstums der Tiere nicht zu, dadurch werden die Abstände zwischen den einzelnen Rezeptoren größer.
Bei der Untersuchung der Sensivität von Jungtieren auf Oberflächenwellen zeigte sich, dass diese an durch Beute ( hauptsächlich Insekten ) verursachte Wellen angepasst sind und durch Wind produzierte Wellen nur sehr schlecht wahrnehmen.

Zweifellos der Höhepunkt der Veranstaltung war die anschließende Live-Sektion eines verendeten Brauen-Glattstirnkaimans ( Paleosuchus palpebrosus ).
Dr. Markus BAUR, Fachtierarzt für Reptilien und Leiter der Reptilienauffangstation München , präparierte routiniert verschiedenen Organe aus dem Krokodilkörper heraus und referierte dabei anschaulich über deren Funktion, Lage, Aufbau und Beschaffenheit.

Dr. Markus BAUR

Autofedr mit seitlichen Griffen

Autofedr mit seitlichen Griffen


Die mit Schutzanzügen ausgerüsteten Tagungsteilnehmer erhielten so interessante Einblicke in die anatomischen Besonderheiten unserer Pfleglinge.

Teilnehmer mit Schutzanzug

19 Zwerge allein in der Pathologie


Im Anschluss an die Sektion referierte Alexander MEURER über seine Erfahrungen mit LED-Flutern, die er in einer Anlage für Brauen-Glattstirnkaimane ( Paleosuchus palpebrosus ) und in einer Anlage für Siam-Krokodile ( Crocodylus siamensis ) seit Anfang des Jahres testet.
Auf die Idee brachte ihn der ebenfalls anwesende Timo DEIBLE, der in seinem Stumpfkrokodilgehege ( Osteolaemus tetraspis ) ebenfalls diese Leuchtmittel verwendet.
Mit Hilfe der LED-Technik ist es möglich, mit geringer Leistungsaufnahme vergleichsweise viel sichtbares Licht, also Helligkeit zu erzielen.
Alexander MEURER verwendet zu jeweils 50 % kalt- und warmweiße LEDs, damit ein möglichst natürliches, dem Tageslicht ähnliches Mischungsverhältnis entsteht.
Die über das Internet bezogenen und sehr preisgünstigen Lampen machen in der Anlage unter hohen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit einen guten Eindruck.
Unbekannt ist bisher noch die Wahrnehmung der Krokodile, also ob sie diese Beleuchtung ebenso hell sehen wie der Mensch.
Sie zeigten nahezu dasselbe Verhalten wie an dem Tag vor Inbetriebnahme der LED-Strahler.
Im Gegenteil, wohlmöglich hat das Licht im Frühjahr sogar zu einer Stimulation der Tiere geführt und das Siam-Krokodil-Weibchen zu einer Eiablage bewogen.
Es wurde festgehalten, dass weitere Untersuchungen durchgeführt werden müssen.
Eine LED-Beleuchtung allein ist meist wohl nicht ausreichend und zusätzliche Mischlicht- und UV-Quellen sollten angeboten werden.
Den Abend des ersten Veranstaltungstages ließen wir in geselliger Grillrunde auf dem schönen Aussengelände des Aquarien- und Terrarienvereins ausklingen.


Eröffnungsthema am Sonntagvormittag waren landesrechtliche Haltungsbeschränkungen und Haltungsverbote vermeindlicher Gefahrtiere durch verschiedene Landesregierungen.
Hessen hatte als eines der ersten Bundesländer die nichtgewerbsmäßige Haltung gefährlicher Tiere im § 43 a des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung ( HSOG ) verboten und eine Liste mit den betroffenen Arten geliefert.
Von den Anwesenden wurde ein formloser Antrag an die Hessische Landestierschutzbeauftragte, Frau Dr. MARTIN ( Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Wiesbaden ), verabschiedet, der nach einem vorausgegangenen Gespräch Alexander MEURERs mit ihr zum Gegenstand hatte, die Glattstirnkaimane ( Paleosuchus palpebrosus und trigonatus ), die Stumpfkrokodile ( Osteolaemus ) und die China-Alligatoren ( Alligator sinensis ) von der Gefahrtierliste zu streichen.
Als kleinwüchsige Vertreter und auf der Grundlage fundierter, langjähriger Erfahrungen praktizierender Halter dieser Arten ist das dort unterstellte Gefährdungs-
potential für Personen und öffentliche Sicherheit bei sachkundiger Behandlung und Unterbringung kaum haltbar.

Paleosuchus und Collie

Schädel eines Brauen-Glattstirnkaimans ( Paleosuchus palpebrosus) , weiblich, ca. 120 cm, und eines ausgewachsenen Collies im Vergleich


Autofedr mit seitlichen Griffen

Schädel eines Brillenkaimans ( Caiman crocodilus) , ca. 150 cm, und eines ausgewachsenen Collies im Vergleich


Im Oktober 2014 legte dann auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen den Entwurf für ein neues Gefahrtiergesetz nebst Durchführungsverordnung vor.
Dieser wurde mittlerweile in Verbandsanhörungen, verfassungsrechtlichen und Gefahrtiergutachten punktuell in Frage gestellt - hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.
In der anschließenden Diskussionsrunde wurde darauf hingewiesen, dass die Halterverbände in der Vergangenheit vornehmlich mit sich selbst beschäftigt waren, indem sie ihre Tierhaltung verteidigten und neue Mitglieder suchten, anstatt auch Lobby-Arbeit zu betreiben.

Autofedr mit seitlichen Griffen

Durch öffentlichkeitswirksame Vertretung ihrer Interessen in Politik und Gesellschaft wäre vermutlich schon im Vorfeld eine Beeinflussung der Legislative möglich gewesen.
Wir müssen durch eine saubere Argumentationskette auf der Basis von Sachkunde und Haltererfahrung eindeutig Position beziehen.
Erst wenn klar gemacht werden kann, dass wir in den behördlichen Auflagen überwiegend durchaus einen Sinn sehen und diese größtenteils schon umgesetzt haben, um den Wildwuchs, der sich in unseren Reihen neben den kundigen Haltern entwickelt hat, einzudämmen, wird sich die Politik weniger bemüßigt sehen, gegen uns vorzugehen.
Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die bislang kaum dokumentierten, aber durchaus üblichen, stillschweigend erbrachten Unterstützungsleistungen der Halterverbände für Behörden bei der Bestimmung und angemessenen Unterbringung von Tieren.

Es folgte ein Bericht von Alexander MEURER über das Ende Mai stattgefundene First East and South-East Regional Meeting der IUCN-SSC-Crocodile Specialist Group in Kambodscha.
Zentrales Thema war dabei die Farmhaltung der dort heimischen Siam-Krokodile ( Crocodylus siamensis), die der Referent selbst pflegt.
Neben kleineren Farmen, die Jungtiere aufkaufen, vorübergehend aufziehen und anschließend weiterveräußern - also reinen Mastbetrieben - gibt es auch große Unternehmen, die selbst nachzüchten.
Ein Ziel der Veranstaltung in Kambodscha war es, die Interessen der Krokodilfarmer und die von Wissenschaftlern und Naturschützern zusammenzubringen.
Während die Haltungsbetriebe gerne eine Herabstufung der Siam-Krokodile auf der CITES-Liste von Anhang I auf Anhang II sehen würden, möchten die Forscher und Artenschützer den bestehenden Schutzstatus erhalten.
Sie signalisierten allerdings Kompromissbereitschaft, wenn mit Hilfe der Farmer eine Auswilderung im größeren Stil möglich wäre.
Leider gibt es aber demgegenüer nur wenige geeignete Standorte für die Ansiedlung von Siam-Krokodilen.
So finden sich auch nur noch ca. 250 Exemplare in freier Wildbahn.
Als Gründe für diese Dezimierung sind die Zerstörung der natürlichen Lebensräume, Bejagung und das ehemalige Einsammeln von Eiern für Aufzuchtfarmen zu nennen.
Bei der Inkubation von Eiern der Siam-Krokodile spielt neben Sauerstoffversorgung und Luftfeuchtigkeit die Temperatur eine entscheidende Rolle.
Optimal sind Werte um 32 °C.
Bei 28 - 31 °C kommt es ausschließlich zum Schlupf von weiblichen Jungtieren, bei 32 - 32,5 °C zum Schlupf von männlichen.
Kritisch sind Were über 34 °C, vor allem zu Beginn der Inkubationszeit, da die Überhitzung zu Fehlbildungen oder zum Tod der Embryonen führt.
Zum Ende der Inkubationszeit hin benötigen die Embryonen mehr Sauerstoff als zu Anfang des Brutvorgangs.
Erfahrene Personen können direkt nach der Ablage über eine Durchleuchtung der Eier ( Candeling ) feststellen, ob sie befruchtet sind.
Bei der Farmhaltung wird zunehmend auf vorbeugende Massnahmen zur Verhinderung von Gesundheitsstörungen Wert gelegt ( Biosecurity ).
Dazu zählen z.B. eine Optimierung der Haltungsbedingungen ( möglichst wenig Stress, ideale Temperaturen etc. ) und eine generelle Quarantäne von 60 bis 90 Tagen bei Neuzugängen.

Zur Situation des China-Alligators ( Alligator sinensis ) gab es die Information, dass zur Zeit noch ca. 120 Tiere in freier Wildbahn zu finden sind, während in der Gefangenschaft eine stabile Population von ca. 14000 Tieren zu verzeichnen ist.
Zur Wiederansiedlung stehen momentan nur 2 bis 3 potentielle Lebensräume zur Verfügung.
Nach Analyse der entscheidenden Kriterien ( Vegetation, Wassertiefe u.a. ) werden weitere Habitate gesucht oder geschaffen.
So wurden ca. 39 Teiche künstlich angelegt.
Bei der Auswahl geeigneter Tiere werden veterinärmedizinische Untersuchungen ( Blut, Mikroorganismen ) und Gen-Tests zugrunde gelegt.


Gruppenfoto

Gruppenfoto mit fast allen Teilnehmern


Die Jahrestagung 2016 wird voraussichtlich vom 17. bis 19. Juni 2016 in München im Tierpark Hellabrunn und in der Auffangstation für Reptilien stattfinden.

Für die interessante Tagung in Fulda möchten wir allen an der Planung und Durchführung beteiligten Personen herzlich danken, insbesondere dem Team vom Aquarien- und Terrarienverein Scalare für seine Gastfreundschaft, die Bereitstellung der Räumlichkeiten und die geduldige Beantwortung aller unserer Fragen.
Ein großes Dankeschön sagen wir auch den Referenten und allen Tagungsteilnehmern, die ausnahmslos entscheidend zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben.







Mindestanforderungen an die artgerechte Haltung
von Krokodilen




Flyer der AG Krokodile

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