Die sachgerechte Haltung gefährdeter Wildtiere durch Privatpersonen als aktiver Beitrag zur Arterhaltung am Beispiel des China-Alligators ( Alligator sinensis ) Klaus Berlig 29.11.2007 |
Auf eine Entwicklungsgeschichte von gut 200 Millionen Jahren zurückblickend zählt der China-Alligator
mit seiner durchschnittlichen Köperlänge von 1,5 m zu den kleinbleiben- den Krokodilarten. Ein Relikt aus uralter Zeit also, das sich im Laufe seiner Evolution, anders wie die Dino- saurier, immer wieder erfolgreich an eine sich ständig wandelnde Umwelt angepasst hat, wären da nicht die fortgesetzte Zerstörung seiner natürlichen Lebensräume und die aktive Bejagung durch den Menschen. |
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Mittlerweile ist Alligator sinensis das von der Ausrottung am meisten bedrohte Krokodil überhaupt
( CITES Anhang I, Critically endangered ). Gegenwärtig befinden sich weniger als 130 Exemplare in einigen Abzugsgräben und Farm-Tümpeln in der chinesischen Provinz Anhui. Die Anzahl der China-Alligatoren vermindert sich momentan jährlich um etwa 6 % . Innerhalb von 3 Generationen ist der Bestand um 80 % gesunken. Abgesehen von der spärlichen Restpopulation in freier Wildbahn liegt der heutige Lebens- raum von Alligator sinensis auf Farmen und in Zoos. In europäischen zoologischen Gärten wird der China-Alligator dabei nur selten gepflegt ( Quelle : Krokodile - Biologie und Haltung, Ludwig Trutnau & Ralf Sommerlad, 2006, Edition Chimaira, Frankfurt/M, ISBN 3-930612-96-8 ). Ca. 30 dieser letzten noch lebenden Exemplare sind im internen Zuchtbuch der DGHT AG Krokodile erfasst. Sie werden von überwiegend privaten Haltern in Deutschland, Dänemark und den Niederlandem auf eigene Kosten und mit erheblichem Arbeitsaufwand betreut, um ihnen als Ersatz für den kaum noch vorhandenen natürlichen Lebensraum eine künstliche Entwicklungsumgebung zu bieten und die mittlerweile geschlechtsreifen Tiere zur Paarung zu bringen. Die Jungtiere werden dann aber nicht für den Tierhandel oder etwa für die Vermarktung über das Internet bestimmt sein, sondern für die Weitergabe an zoologische Einrichtungen und verantwortungsbewußte Halter, um eine sich selbst reproduzierende Population aufzubauen, bevor Alligator sinensis das Schicksal anderer, mittlerweile in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet ausgerotteter Tierarten teilen muss und ganz von der Bildfläche verschwunden ist. Im Folgenden ist exemplarisch die private Anlage in unserem Einfamilienhaus beschrieben, in der ein offensichtlich männlicher China-Alligator ( 10 Jahre alt, 110 cm lang ) betreut wird. |
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Sie befindet sich in der Art eines nach oben offenen Geheges in einem beheizten Wintergarten, der über
einen Durchbruch in der Hausaußenwand direkt mit dem übrigen Wohnbereich verbunden ist. Trotz des ständigen Sicht- und Hörkontaktes zu uns Bewohnern - Krokodile sind in der Gefangenschaft sehr stressanfällig - hat das Tier mittlerweile seine natürliche Scheu vor dem Menschen komplett abgelegt. So flüchtet es z.B. bei den ausgiebigen Sonnenbädern, zu denen die exponierte Lage des Wintergartens vom Frühjahr bis zum Herbst einlädt, nicht sofort panisch ins Wasser, sobald man sich nähert, sondern bleibt ruhig an Land liegen und läßt sich nicht weiter stören. |
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Andererseits kam es bislang zu keinerlei unberechenbaren, aggressiven oder gefährlichen Reaktionen des Alligators, den sachgerechten Umgang natürlich vorausgesetzt. |
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Bedingt wird dieses Hineinwachsen in die menschliche Obhut durch die für Reptilien
überdurchschnittliche Lernfähigkeit und Intelligenz der Krokodile zum einen und zum anderen durch
ein geduldiges, behutsames Vorgehen des Halters, indem er das Tier weitmöglichst in Ruhe läßt
und nur in dringenden Ausnahmefällen ( z.B. Tierarztbesuch ) berührt. Die natürliche Neugier des Pfleglings ist dann die treibende Kraft für die langsame, aber stetige Annäherung an die menschliche Umgebung. |
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Voraussetzung für eine artgerechte Haltung ist die angemessene Gestaltung und Ausstat- tung der Anlage, bestehend aus einem Wasser- und einem Landteil. Luftraum, Wasser und Landbereich müssen in Abhängigkeit von tages- und jahreszeit- lichen Schwankungen die erforderlichen Temperaturen aufweisen. Im vorliegenden Fall wird dies energiesparend durch die häufige Sonneneinwirkung und die damit verbundene Umwandlung in Wärmestrahlen, kombiniert mit einer umfassenden Isolierung des gesamten Beckenbodens erreicht. |
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Bei Bedarf schalten sich thermostatgesteuert aufeinander abgestimmte künstliche Wär- mequellen zu. Für eine gleichbleibende Wasserqualität sorgt die Kombination aus mechanischer, physi- kalischer ( UV-Entkeimung ) und biologischer Filtertechnik. |
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Großzügige Bepflanzung und gut einsehbare Versteckmöglichkeiten bieten neben gerne genutzten Rückzugsmöglichkeiten zusätzlich schattige Bereiche. |
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Regelmäßige Reinigungs- und Wartungsarbeiten sind natürlich obligatorisch.
Fazit : - Es ist auch in privaten Anlagen möglich, Alligator sinensis artgerecht zu betreuen, ohne die Sicherheit von Menschen zu gefährden oder gegen den Tierschutz zu verstossen - die erforderliche Sachkenntnis und die nötige Ausstattung immer vorausgesetzt. - Die Pflege in kundiger Privathand braucht der Haltung in einer zoologischen Institution nicht nachzustehen : " ... die Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlich geführten zoologischen Gärten und kundigen privaten Pflegern ist für die Erhaltung derart seltener und höchst bedrohter Arten geradezu ein Muss, zumal die privaten Pfleger gelegentlich über tiefergehende Kenntnisse verfügen ( SOMMERLAD, 1998 ) ". Es ist bedauerlich, dass in diesem Zusammenhang festgestellt werden muss, dass die Europäische Zoo-Vereinigung EAZA das ursprünglich konzipierte Europäische Erhal- tungszuchtprogramm für den China-Alligator wegen Erfolglosigkeit wieder eingestellt hat. Es ist dies aber nicht ein Beweis für die fehlende Notwendigkeit eines solchen EEP, vielmehr ein Beweis für die mangelnde Kenntnis oder mangelndes Engagement der Zoologischen Gärten, die in Europa einen Nachzuchterfolg nicht vorweisen konnten. In China und den USA wird Alligator sinensis in Menschenobhut regelmässig nach- gezüchtet ( TRUTNAU & SOMMERLAD, 2006 ). - Die artgerechte Haltung und Nachzucht in Menschenobhut ist eine schnelle und effek- tive Maßnahme, dem Rückgang der Wildbestände und damit dem Aussterben einer Tierart gegenzusteuern. Sie stellt durch ihre unmittelbare Wirksamkeit eine sinnvolle Ergänzung zu Schutz- und Wiederansiedlungsmaßnahmen vor Ort dar. Somit ist sie nicht minder zu bewerten wie etwa der gesetzliche Artenschutz durch Import-, Erwerbs- und Haltungsbeschränkungen von Wildfängen. Über die Bedeutung nachhaltiger Zucht ( und der legale Handel mit lebenden China- Alligatoren stellt ein besonders positives Beispiel nachhaltiger Nutzung einer im Freile- ben kritisch bedrohten Krokodilart dar ) ist an anderer Stelle von einem Autor berichtet worden, dessen leitende Tätigkeit für das Bundesamt für Naturschutz ( www.bfn.de ) und dessen erfolgreiches Wirken als Artenschützer und Vice-Chairman der IUCN/SSC Crocodile Specialists Group ihn in besonderer Weise befähigt ( JELDEN, 1998 ) - Wenn die Bundesregierung das Artensterben beklagt und sich für den Artenschutz stark macht, hat sie zweifellos recht. Ein pauschales gesetzliches Verbot der Haltung, wie es jüngst in Hessen in Kraft gesetzt worden ist, ist jedoch kontraproduktiv und würde effektive private Initiativen als aktiven Beitrag zum Erhalt einer untergehenden Art im Keim ersticken, nachdem quasi ein Nachzuchtverbot für Krokodile in diesem Bundesland ausgesprochen worden ist. Hier sollten zumindest Ausnahmeregelungen vorgesehen werden. Ob es sich bei einem kleinbleibenden Krokodil um eine "gefährliche Tierart" handelt, dessen Pflege die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, sei dahingestellt. Zumindest der Autor hält eine solche Einstufung für "groben Unfug", aber der Hessische Landtag hat sich bei seiner Entscheidungsfindung ohnehin als weitgehend beratungsresistent erwiesen und Fachleute aus der Herpetologie nicht anhören wollen ( MACINA, 2007, schriftl. Mitt. ). Literatur : JELDEN, D., I. SPROTTE und M. GRUSCHWITZ (Bearb.) : Nachhaltige Nutzung - Referate und Ergebnisse des gemeinsamen Symposiums des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) und des Bundesverbandes für fachgerechten Natur- und Artenschutz (BNA) in der Internationalen Natur- schutzakademie Insel Vilm vom 22. bis 24. Oktober 1997. 1998, 141 Seiten, 3-89624-612-7 SOMMERLAD, R. (1998) : Terrarienhaltung - Artenschutz oder Geltungssucht ? herpetofauna, Weinstadt, 10 (53) TRUTNAU, L. & R. SOMMERLAD (2006) : Krokodile - Biologie und Haltung Edition Chimaira, Frankfurt |
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